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- Erdbebengeschädigt? Rechte und Pflichten für eine Entschädigung
- Offene Fragen
- Was tun bei Erdbebenschäden?
- Und was ist denn nun mit den Bodensenkungen?
- Schlussfolgerungen
- Checkliste
- Schlichtungsstelle
Warum man sich nicht damit abfinden sollte, wenn die Förderunternehmen bei der Regulierung von Erdbebenschäden, die durch die Erdgasförderung verursacht wurden, Probleme machen.
Die Vorgeschichte
Viele Einwohner der Ortschaften Völkersen und Langwedel, aber auch in Teilen Daverdens, erlebten am 22.November 2012 gegen 21.38 Uhr, dass plötzlich und wie von Geisterhand verursacht, das Geschirr in ihren Schränken klirrte und Lampen und andere freihängende Gegenstände in ihren Wohnungen in Schwingungen gerieten. Grund war, wie sich dann herausstellte, ein Erdbeben mit der Lokalmagnitude 2,8 (ML). Und noch etwas stellte sich heraus: Über 100 Hauseigentümer mussten feststellen, dass ihre Gebäude plötzlich Wand- und Deckenrisse aufwiesen, die vor dem Erdbeben nicht vorhanden waren. Zur Ursache stellte die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Anfang Januar 2013 unmissverständlich fest, dass das Epizentrum (Ort des Erdbebens) am Rande des Erdgasfeldes Völkersen liegt. Und weiter: „Am 02.Mai 2011 ereignete sich im selben Gebiet bereits ein Erdbeben mit der Lokalmagnitude von 2,5 (ML). Im benachbarten Visselhövede (Landkreis Rotenburg/Wümme) wurde am 13. Februar 2012 am Rande des Erdgasfeldes Söhlingen ein Ereignis der Magnitude 3,0 registriert. Ein Zusammenhang mit der Erdgasförderung kann daher nicht ausgeschlossen werden.“
Für die Betroffenen war damit klar: Wenn die Schäden an ihren Gebäuden auf ein durch die Erdgasförderung ausgelöstes Erdbeben zurückzuführen waren, hatte das Erdgasunternehmen, die RWE Dea, diese Schäden auch zu ersetzen. Doch das war leichter gedacht als getan. Hatte das Unternehmen zunächst noch bestritten, dass die Erdgasförderung überhaupt Ursache des Erdbebens sei, behauptete man angesichts der Feststellungen des BGR nunmehr, dass ein Erdbeben der festgestellten Stärke überhaupt keine Schäden an Gebäuden verursachen könne. Auf Druck der Bürgerinitiativen und von politischer Seite sah sich die RWE Dea allerdings genötigt, sich näher mit den gemeldeten Schäden zu befassen und beauftragte einen Sachverständigen mit deren Begutachtung. Allerdings nicht, wie es eigentlich nahe gelegen hätte, einen ausgewiesenen Experten für die Begutachtung von Bergschäden, sondern einen Sachverständigen für („normale“) Bauschäden, der lediglich einen Sachverständigen für Schall- und Schwingungstechnik beizog. Das Ergebnis war dann entsprechend. In den Gutachten wurden keine nachvollziehbar begründeten objektbezogenen Feststellungen dazu getroffen, ob die dokumentierten Gebäudeschäden tatsächlich auf das Erdbeben vom 22.11.2012 zurückzuführen waren. Vielmehr wurden lediglich aus nicht hinterfragten Messergebnissen allgemeine Ableitungen vorgenommen und letztlich unbelegte und damit nicht nachvollziehbare Behauptungen dahingehend aufgestellt, dass es sich in der Mehrzahl der Fälle nicht um Erdbeben-, sondern um Bauschäden handeln würde. Mit einer objektiven Feststellung der Schadensursachen hatte das unseres Erachtens, aber auch nach Auffassung der von uns befragten ausgewiesenen Sachverständigen für Bergschäden, nichts zu tun. (Näheres hierzu sh. auch unter: http://bi-langwedel.de/index.php/aktuelles/74-ein-persoenlicher-erfahrungsbericht)
Damit stand fest: Viele Geschädigte würden auf ihren Schäden sitzen bleiben, da die derzeit geltende Rechtslage verlangt, dass ein Geschädigter die Ursache eines Schadens in vollem Umfange beweisen muss. Diese von vielen als ungerecht empfundene Situation führte dann auch zur Gründung der „Schlichtungsstelle Bergschaden Niedersachsen“. Dazu etwas später mehr. Hier nur soviel: Zwischenzeitlich haben einige Betroffene die Schlichtungsstelle bereits angerufen und zumindest einen Teil der ihnen entstandenen Kosten der Schadensbeseitigung im Rahmen der Schlichtung ersetzt bekommen.
Offene Fragen
Gleichwohl bleiben viele Fragen offen. Hierzu gehört zum Beispiel, was man als Betroffener für den Fall zukünftiger Erdbeben – zuletzt bebte die Erde in Völkersen wieder am 20.06.2014, wenn auch nur mit einer Lokalmagnitude 1,6 (ML) – machen kann, um die Chancen zu erhöhen, möglichst den gesamten Schaden ersetzt zu bekommen. Dazu gehört aber auch die Frage, ob die Politik schon alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, den betroffenen Bürgern zu helfen. Und es stellt sich die Frage, ob die zuständige Behörde, das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), nicht umfassender tätig werden muss, um die Datenlage für den Schadensnachweis zu verbessern. Diese und weitere Fragen wollen wir im Folgenden behandeln, wobei wir vor allem Wert darauf gelegt haben, Ihnen als den potenziell Betroffenen eventueller zukünftiger Schadensereignisse ganz praktische Tipps mit auf den Weg zu geben.
Zur Beantwortung dieser Fragen sollte man sich erst einmal klarmachen, welche Mechanismen dazu führen können, dass durch die Erdgasförderung bedingte Gebäudeschäden entstehen.
Was am 11.November 2012 im Bereich des Erdgasfeldes Völkersen geschehen ist, umschreibt die Erdgasindustrie gerne mit dem etwas weniger dramatischen Begriff des „seismischen Ereignisses“. Hierbei handelt es sich jedoch um nichts anderes als um ein durch die industrielle Tätigkeit der Förderung von Erdgas verursachtes Erdbeben. Diese entstehen durch einen plötzlichen Abbau von Spannungen („stress drop“) entlang von Bruchflächen in der Erdkruste, die sich durch die relative Bewegung der Gesteinsschichten auf beiden Seiten eines Bruches aufgebaut haben und wellenartig fortsetzen.Die Erdbebentätigkeit, die durch den plötzlichen Abbau von Spannungen verursacht wird, die auf menschliche Eingriffe in den Untergrund, hier die großflächige Förderung von Erdgas, zurückzuführen ist, wird dabei als „induzierte Seismizität“ bezeichnet.
Etwas ganz anderes stellen die durch die Ausbeutung des geologischen Untergrundes und der damit einhergehenden Schaffung von Hohlräumen häufig ebenfalls auftretenden Senkungen und Hebungen dar. Hierbei handelt es sich um senkrechte Bodenbewegungen, die, anders als fälschlicherweise von der Industrie gerne behauptet, keineswegs immer gleichmäßig ablaufen müssen und über einen längeren Zeitraum hinweg, wie z.B. im Steinkohlebergbau anerkannt, durchaus schädigende Ausmaße annehmen können. Für den Bereich der Erdgasförderung liegen hierzu aber kaum verwertbare Ergebnisse vor, so dass es dringend erforderlich ist, das Phänomen näher zu untersuchen. Doch dazu später mehr.
Was tun bei Erdbebenschäden?
Anders als bei den Senkungen und Hebungen kann allerdings heute auch in Deutschland – in den Niederlanden zum Beispiel ist das schon seit längerem anerkannt – wohl als unstreitig gelten, dass die Erdgasförderung Erdbeben auslösen kann und zukünftig auch noch Erdbeben auslösen wird. Der Streit darüber, ob und wie die dabei entstehenden Gebäudeschäden auszugleichen sind, dreht sich dann inzwischen auch um eine ganz andere Frage. Nämlich darum, ob diese Erdbeben geeignet sind, derartige Schäden zu verursachen und wer dieses zu beweisen hat.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein konkretes Erdbeben überhaupt geeignet ist, Gebäudeschäden zu verursachen, beziehen sich die Unternehmen und die ihnen nahe stehenden Gutachter fast ausschließlich auf die DIN 4150 Teil 3, wonach Schäden an Wohnhäusern ausgeschlossen sein sollen wenn die bei dem Erdbeben aufgetretenen Schwinggeschwindigkeiten den Wert von 5 mm/sek nicht überschreiten. Eine derartig schematische Herangehensweise entspricht aber weder der in der Fachliteratur zu Bergschäden vertretenen Auffassung (vgl. Mollinga, Bergschadensregulierung, Stuttgart 2012, S. 59/60), noch der Rechtsprechung zu dieser Frage, die wiederholt betont hat, dass die DIN 4510 Teil 3 zwar Anhaltswerte gibt, aber „keine verlässliche Grundlage für die Annahme erschütterungsbedingter Gebäudeschäden“ enthält, sie deshalb nicht „schematisch angewandt werden“ dürfen (so z.B. LG Saarbrücken, Urteil vom 25.11.2011). Vielmehr muss grundsätzlich der Einzelfall betrachtet werden, wobei „unter anderem Fundamentausbildungen, Bauwerksdimensionen, die Bauweise und der technische Zustand des Gebäudes zu berücksichtigen“ sind (Mollinga, aaO., S. 60). Dass derartige Feststellungen bei einem eingetretenen Schadensfall in der Regel die Einschaltung eines Sachverständigen erforderlich machen, liegt auf der Hand. Gleichwohl kann der einzelne Hauseigentümer schon im Vorfeld dafür Sorge tragen, die Beweisführung im Schadensfall zu erleichtern.
Hierzu gehört in erster Linie, dass in regelmäßigen Abständen vom Eigentümer das Gebäude gezielt in Augenschein genommen und das Ergebnis dokumentiert wird. Insbesondere die Wand- und Bodenflächen sollten auf das Vorhandensein von Rissen untersucht werden. Der ausgewiesene Sachverständige für Bergschäden Andreas Mollinga schreibt in seinem lesenswerten Buch „Bergschadensregulierung“ hierzu: „Zum Beispiel sollten die Außenwände im Kellergeschoss vom Eigentümer im Bereich der Fensterbrüstungen und Fenstersturzbereiche halbjährlich auf Rissschäden überprüft werden. Die Überprüfung von elastischen Verfugungen zwischen einzelnen Baukörpern, z.B. Fuge zwischen Wohnhaus und Kelleraußentreppe oder Fuge zwischen Wohnhaus und Garage, sollte jährlich erfolgen“ (Mollinga, aaO. S. 32). Als „Anhang 1“ haben wir hierzu eine von dem Sachverständigen empfohlene Checkliste abgedruckt, aus der sich ergibt, in welchen Abständen welche Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden sollten, wobei es sich sicher empfiehlt, diese mit einer entsprechenden Bilddokumentation zu untermauern.
Falls bei den genannten Kontrolluntersuchungen tatsächlich Risse festgestellt werden sollten oder diese dem Gebäudeeigentümer schon vorher bekannt sind, ohne dass sie einem speziellen Schadensereignis zugeordnet wurden, empfehlen sich auf jeden Fall weitere Maßnahmen. Diese sind zwar mit Kosten verbunden, sind aber geeignet, ggf. nachzuweisen, dass ein eventuelles zukünftiges Erdbeben zu einem zuzurechnenden Schaden z.B. durch Verbreiterung, Verlängerung oder sonstige Veränderung des schon vorher vorhandenen Schadens geführt hat.
Wir haben hierzu geeignete technische Hilfsmittel herausgesucht, die mit relativ geringen Kosten privat beschafft und eingesetzt werden können:
- Die einfachste, aber auch kostengünstigste Methode, Veränderungen bei bestehenden Rissbildungen zu beobachten, ist das Setzen von Gipsmarken über den jeweiligen Riss.
Der Nachteil dieser Methode besteht allerdings darin, dass Art und Ausmaß der Veränderung gar nicht oder nur eingeschränkt festgestellt werden können.
- Um Veränderungen nach Art und Ausmaß genauer dokumentieren zu können, sollten sog. Rissmonitoren eingesetzt werden.
Die Verwendung derartiger Rissmonitore ermöglicht es, auftretende Bewegungen und Verformungen vorhandener Risse schnell und sicher zu erkennen. Dieses wird dadurch möglicht, das die Monitore direkt über dem Riss angebracht und auf einen Nullpunkt fixiert wird. Da je nach Lage des Risses (z.B. Innen oder Außen, einheitliche Wandfläche, Ecken oder Maueranschlüsse) unterschiedliche Rissmonitore erforderlich sind und diese sich auch preislich sehr unterscheiden (so ist die einfache Ausführung für die Messung eines Wandrisses schon ab ca. 10 € zu haben, während Rissmonitore für Messungen im Eckenbereich 45 € und mehr kosten) kann an dieser Stelle nur auf die verschiedenen Anbieter wie z.B. die Firma sachverständigen-bedarf.de (www.sachverständigen-bedarf.de) verwiesen werden. Dort findet man auch weitere Hilfsmittel für den Einsatz bei der Feststellung von erdbebenbedingten Gebäudeschäden.
Wer allerdings ganz sicher gehen will, der sollte durch die Beauftragung eines auf Bergschäden spezialisierten Sachverständigen den gegenwärtigen Zustand seines Gebäudes zur Beweissicherung feststellen lassen. Hierzu hat uns der bereits mehrfach erwähnte Sachverständige Dipl.-Bauingenieur Andreas Mollinga (Dieselstr. 9, 45570 Marl – info@mollinga.de -) im Juli 2014 z.B. folgendes Angebot – bezogen auf ein normales Wohnhaus – unterbreitet:
• Fachgerechte Vermessung und Dokumentation einschl. Fotos der Schäden
• Dokumentation schadensfreier kritischer Detailpunkte
• Einschätzung der Schadensursache
• Erforderliche Maßnahmen zur Instandsetzung
• Abstimmung der weiteren Vorgehensweise
• Auswertungsunterlagen
Pauschalpreis: 750,00 € / Netto
(Sonderkonditionen werden z.B. bei der gleichzeitigen Beauftragung für 3 Objekte eingeräumt, so dass auch hier empfohlen wird, ggf. die aktuellen Preise etc. direkt beim Sachverständigen zu erfragen)
Eine Frage ist bis hierhin allerdings noch offen geblieben. Die Frage nämlich, ob das alles denn noch erforderlich ist, wenn die von den Bürgerinitiativen geforderte „Umkehr der Beweislast“ im Berggesetz verankert wird. Korrekt bezeichnet handelt es sich dabei um die sog. Bergschadensvermutung nach § 120 Bundesberggesetz, die auf die Erdgasförderung ausgeweitet werden soll. Diese besagt, dass – bis zum Beweis des Gegenteils durch das Unternehmen –vermutet wird, dass ein im Einwirkungsbereich der Erdgasgewinnung durch Senkungen, Pressungen oder Zerrungen der Oberfläche oder durch Erdrisse entstandener Schaden, der seiner Art nach ein Bergschaden sein kann, durch das Förderunternehmen verursacht worden ist. Das hört sich gut an und führt gegenüber der bisherigen Rechtslage, nach der die Geschädigten die vollständige Beweislast für die Schädigung durch Erdgasförderung hatten, auch sicherlich zur Verbesserung ihrer Situation in einem evtl. Prozess über seine Schadensersatzansprüche. Bei genauerer Betrachtung gibt die Bergschadensvermutung dem Geschädigten aber weit weniger, als man zunächst glauben möchte. Nicht nur weil sie nur in einem im Einzelfall festzulegenden Einwirkungsbereich und – nach den Gesetzesplanungen – nur für Erdbeben mit einer Lokalmagnitude von mindestens 2,0 (ML) gilt. Vor allem auch, weil auch im Rahmen der Bergschadensvermutung der Geschädigte immer noch den Zusammenhang zwischen Erdbeben und Schadenseintritt nachweisen muss und sich zudem mit evtl. Gegenbehauptungen der Unternehmen (Baumangel) auseinandersetzen muss. Um in dieser Situation „bessere Karten zu haben“ sollten auf jeden Fall die zuvor beschriebenen Maßnahmen ergriffen werden.
Etwas „bessere Karten“ haben Erdbebengeschädigte in Niedersachsen allerdings jetzt schon. Seit dem 1. August 2014 hat nämlich die „Schlichtungsstelle Bergschaden Niedersachsen“ ihre Arbeit aufgenommen. An die Schlichtungsstelle können sich Betroffene wenden, deren Gebäude durch die Erdgasförderung ausgelöste Erdbeben Schäden aufweisen, die von den Förderunternehmen gleichwohl überhaupt nicht oder nur unzureichend ersetzt worden sind. Das Verfahren ist dabei grundsätzlich kostenfrei. Die Schlichtungsstelle setzt sich zusammen aus dem Vorsitzenden und zwei Beisitzern. Einen der Beisitzer kann sich der Betroffene speziell für sein Verfahren aus einer entsprechenden Liste, die nach Vorschlägen verschiedener Bürgerinitiativen erstellt wurde, aussuchen. Die Geschäftsstelle befindet sich beim Landkreis Rotenburg (Wümme). Unter der Telefonnummer 04261/9832758 kann man dort weitere Auskünfte erhalten und die entsprechenden Anträge stellen. Im übrigen sind diesem Text auch die Liste der Beisitzer und ein Antragsformular als „Anhang 2 + 3“ beigefügt. Insoweit noch ein besonderer Hinweis: Eventuelle Schadensersatzansprüche aus dem Erdbeben vom 22. November 2012 verjähren in der Regel am 31.Dezember 2015. Wer also die Chance eines eventuellen Schlichtungsverfahrens ergreifen möchte, sollte mit der Antragstellung nicht mehr allzu lange warten.
Und was ist denn nun mit den Bodensenkungen?
Dass Erdgasförderung Bodensenkungen verursachen kann, ist in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt. Durch einen Vortrag der auf das Bergrecht spezialisierten Rechtsanwältin Doris Vorloeper-Heinzaus Bergheim bei Köln wurden wir aber auf diese Problematik aufmerksam gemacht. Weitere Recherchen ergaben dann, dass zum Beispiel die Landesregierung von Sachsen-Anhalt in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage bereits am 26.01.2011 unmissverständlich erklärt hatte, dass davon auszugehen ist, „dass es im Zusammenhang mit der Erdgasförderung im Gebiet der Altmark-Erdgaslagerstätte zu messtechnisch nachweisbaren Senkungen der Erdoberfläche gekommen ist“ (Landtagsdrucksache 5/3091 v. 26.01.2011). Und am 28.04.2014 veröffentlichte „Spiegel online“ unter Bezugnahme auf das niederländische Institut für Wassermanagement RIZA unter der Überschrift „Mulden in Niedersachen“: „Auch dem Küstenschutz im Nordosten der Niederlande wird der Boden entzogen. Dort höhlt die Gasförderung den Boden förmlich aus. Seit 1959 pumpen Firmen vor Groningen Gas aus einem der größten Reservoire Europas. Die entleerten Gesteinsporen halten dem Druck nicht stand, sie sacken zusammen – der Boden gibt nach, seit den siebziger Jahren um bis zu 30 Zentimeter.“ Und weiter heißt es: „Auch im benachbarten Niedersachsen hat sich der Boden nach jahrzehntelanger Gasförderung um einige Zentimeter abgesenkt“. (http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/erdgas)
Damit ist klar – auch die Problematik möglicher Bodensenkungen bedarf näherer Untersuchung. Anders als die Unternehmen und teilweise auch die Behörden glauben machen möchten, sind eventuelle Bodensenkungen nämlich nicht folgenlos, sondern können zum Beispiel in Bereichen, in denen sogenannte Torflinsen im Untergrund existieren, auf Grund der dadurch bedingten ungleichmäßigen Bodenbewegung Einfluss auf darüber liegende Gebäude und andere Bauwerke haben. Frau Rechtsanwältin Vorloeper-Heinz hält es dann auch für erforderlich, dass Senkungsmessungen sowohl durch Höhenvermessung der betroffenen Landstriche als auch durch die Höhenvermessung einzelner Objekte vorgenommen werden.
Doch auch das ist leichter gedacht als getan! Die Höhenvermessung der betroffenen Landstriche ist eine öffentlich Aufgabe und so bestimmt § 125 Absatz 1 BBergG dann auch, dass u.a. die Förderunternehmen „auf ihre Kosten auf Verlangen und unter Aufsicht der zuständigen Behörde Messungen durchführen zu lassen (haben), die zur Erleichterung und Feststellung von Art und Umfang zu erwartender und zur Beobachtung eingetretener Einwirkungen des Bergbaus auf die Oberfläche erforderlich sind.“ Die entscheidende Einschränkung folgt dann aber in Absatz 2 der gleichen Vorschrift. Messungen nach Absatz 1 können nämlich nur für Gebiete verlangt werden, „in denen Beeinträchtigungen der Oberfläche durch Bergbaubetriebe mit Auswirkungen auf bauliche Anlagen eingetreten oder zu erwarten sind, wenn die Messungen zur Verhütung von Gefahren von Leben, Gesundheit oder bedeutende Sachgüter von Bedeutung sein können“ (vgl. auch § 16 Markscheider-Bergverordnung). Um zu erfahren, ob diese Voraussetzungen für das Erdgasfeld Völkersen vorliegen, haben wir daher eine entsprechende Anfrage an das Landesbergamt gerichtet und erhielten mit Schreiben vom 01.09.2014 zur Antwort, dass
- dem LBEG keine Daten zu Bodensenkungen oder anderen Lageveränderungen über dem Erdgasfeld vorliegen;
- das LBEG aktuell solche Erfassungen in Völkersen auch nicht anstrebt und
- nach Einschätzung des LBEG die Voraussetzungen des § 125 Absatz 2 BBerG zur Anordnung von Messungen auch nicht vorliegen.
Eine nähere Begründung enthält das Schreiben nicht. Wir wollen uns damit auch nicht abfinden.
Wir haben daher versucht, bei verschiedenen Fachbehörden (zum Beispiel bei der „Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr“) Daten insbesondere über Höhenvermessungen bei den ihrem Fachbereich unterliegenden Bauwerken (Straßenbrücken, Unterführungen etc.) zu bekommen. Dieses endete jedoch weitgehend erfolglos bzw. mit einem Verweis der Fachbehörden auf das „Landesamt für Geoinformation und Landvermessung“ (LGLN), bei dem „das amtliche Höhenfestpunktfeld erstellt, verwaltet und gepflegt“ werde. Weiter teilte zum Beispiel die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr mit, „dass die angefragten Bauwerke nicht turnusmäßig überwacht werden“. Daher könnten aktuellen Daten nicht geliefert werden. Und : „Überwachungsmessungen finden im Allgemeinen nur statt, wenn ein konkreter Verdacht auf Setzungen und Deformationen vorliegt. Dieses ist bei diesen Bauwerken (gemeint sind die gen. Straßenbrücken etc.) nicht der Fall.“ Von dem LGLN erhielten wir ebenfalls die Antwort, dass aktuelle Messungen bzw. Höheninformationen für das Gebiet des Erdgasfeldes Völkersen nicht existieren. Nun – diese Praxis des Abwartens wird die Behörde jetzt wohl ändern müssen. In einem am 15.10.2014 vom Nds. Ministerium für Inneres und Sport herausgegebenen sog. Raumbezugserlass (Nds. MBl Nr. 39/2014) heißt es jetzt nämlich ausdrücklich. „Das Höhenfestpunktfeld ist, insbesondere zur Sicherung des Landesbezugssystems in Gebieten mit Bodenbewegungen, regional und bedarfsorientiert durch Höhenfestpunkte zu verdichten“ (Ziff. 3.2 des Erlasses). Wir werden die Realisierung dieser ministeriellen Vorgabe durch die Behörde aufmerksam verfolgen und fordern insbesondere das LBEG auf, auf die Umsetzung zu drängen und die gewonnen Daten zur Prüfung der Voraussetzungen des § 125 BBergG zu nutzen.
Unabhängig davon kann in Bezug auf einzelne Gebäude eine „Höhenvermessung des einzelnen Objektes“ vorgenommen werden. Diese könnten zum einen zur Beweisführung herangezogen werden, wenn unabhängig von konkreten Erdbebenereignissen, Gebäudeschäden festgestellt werden, die sich nicht als Baumängel darstellen. Die Ergebnisse könnten darüber hinaus aber auch an das LBEG weitergegeben werden, damit dieses sie ebenfalls zur Prüfung der Voraussetzungen des § 125 BBergG (s.v.) nutzt. Der Haken bei der Sache sind wieder einmal die Kosten. Nach eingeholten Angeboten belaufen sich diese für die Einmessung eines Wohnhauses mit Anbau (4 bis 8 Höhenmesspunkte) auf ca. 800 Euro, wobei auch hier der Preis bei der gleichzeitigen Beauftragung für mehrere Objekte sicherlich verhandelbar ist. Daher bietet es sich an, dass insbesondere für die sich im Erdgasfeld befindlichen öffentlichen Gebäude (Rathaus, Schulen, Kindergärten, Sporthallen, Feuerwehrhäuser etc.) eine derartige Vermessung durchgeführt wird, um auch auf diese Weise Datenmaterial zu möglichen Bodensenkungen zu erhalten.
Schlussfolgerungen
Zusammenfassend bleibt festzustellen:
- Zu den unstreitig durch die Erdgasförderung verursachten Erdbeben kann jeder Einzelne mit relativ geringen Mitteln seine Beweissituation für zukünftige Schadensfälle verbessern.
- Es bleibt aber dringend erforderlich, dass die sog. Bergschadensvermutung auf die Erdgasförderung ausgeweitet und nicht durch einschränkende Bestimmungen relativiert wird.
- Schon jetzt kann die seit dem 01. August 2014 arbeitende „Schlichtungsstelle Bergschaden Niedersachsen“ im Schadensfall zur kostenfreien Vermittlung angerufen werden. Das gilt aktuell insbesondere für Schadensfälle aus dem Erdbeben vom 22.November 2012.
- Das Problem der durch die Erdgasförderung ausgelösten Bodensenkungen und dadurch evtl. hervorgerufener Schäden bedarf dringend weiterer Aufklärung. Hier ist insbesondere die „öffentliche Hand“ (Fachbehörden wie LGLN und LBEG, aber auch das Land und die Kommunen) gefordert.
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Erstellt von der Arbeitsgruppe „Erdbeben“ der Bürgerinitiativen BI „No Fracking“ im Erdgasfeld Völkersen und BI Flecken Langwedel gegen Gasbohren unter Mitarbeit von Werner Busch, Torsten Grau, Gerd Landzettel, Gero Landzettel, Wolfgang Marschhausen und Marco Sündermann
Checkliste
Die Checkliste ersetzt keine ordentliche Überprüfung durch einen geschulten fachkundigen Sachverständigren. Mit ihrer Hilfe kann aber eine einfache Sichtkontrolle auf Veränderungen vorgenommen werden.
Überprüfungsintervall ausgeführt am:
Wohnhaus/Gebäude
Keller, Wände/Böden auf Risse prüfen halbjährlich ………………
Obere Etagen, Wände/Böden auf
Risse prüfen jährlich ………………
Deckenunterseiten auf Risse prüfen jährlich ………………
Verblendmauerwerk auf Risse prüfen halbjährlich ………………
Schieflage Küchenarbeitsplatte halbjährlich ………………
Regenrinnen, Ablauffunktion prüfen halbjährlich ………………
Standwasserbildung auf Flachdächern jährlich ……………….
Lichtschächte, Absetzungen des Gebäudes jedes 2. Jahr ……………….
Außenanlagen
Gradliniger Verlauf von Pflasterfugen jährlich ……………….
Muldenbildung in Pflasterflächen jährlich ……………….
Elastische Fugen prüfen jährlich ……………….
Fuge zwischen zwei Gebäuden prüfen jährlich ……………….
Fuge zwischen Stufenanlage und Haus jährlich ……………….
Fuge zwischen Haus und Außentreppen jährlich ……………….
Bodeneinläufe öffnen, reinigen, spülen halbjährlich ……………….
Schlichtungsstelle Bergschaden Niedersachsen
Liste der von Antragsstellern als Beisitzer/in auswählbaren Personen (1)
Bürgerinitiative Beisitzer/in Stellvertreter/in
BI Rheiderland up Stee Herr Harm Groeneveld Herr Edzard Busemann
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BI Frack-loses Gasbohren Herr Ernst Harms von-
Im Landkreis Rotenburg Quintus-Icilius Herr Hartmut Horn
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BI No-Fracking Völkersen Herr Gerhard Landzettel Frau Elisabeth Vogel
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Interessengemeinschaft
Rotenburg/Verden Herr Andreas Rathjens Frau Petra Henke
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BI Lebensqualität Horsten-
Etzel-Marx e.V. Herr Wolfgang Rudolph Frau Doris Stehle
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BI Intschede-Wesermarsch
ohne Bohrtürme Herr Gerhard Landzettel Frau Barbara Garlip
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Interessengemeinschaft
RoteHand Thedinghausen Herr Gerhard Landzettel Herr Peter Bartram
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BI Netzwerk sauberes
Trinkwasser Frau Gerlinde Skerra Herr Andreas Rathjens
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BI Gegen Gasbohren im
Landkreis Rotenburg Herr Jochen Richert Herr Olaf Meinke
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- Mehrfachnennungen durch die vorschlagenden Bürgerinitiativen möglich